Leben an der Hauptstraße – aber leise?

Am „Tag gegen den Lärm“ bewirbt Hamburg die „Magistrale als Stadtraum für alle“

Am vergangenen Mittwoch fand der „Tag gegen den Lärm“ statt. Der Aktionstag der Deutschen Gesellschaft für Akustik wird seit 1998 begangen und soll für den Lärm und seine Ursachen und Folgen sensibilisieren1. Letztere sind erheblich und treten vielerorts auf. In Hamburg beispielsweise sind junge Leute und Menschen mit geringem Einkommen besonders häufig Lärmbelastungen ausgesetzt2. Diese entstehen insbesondere durch den Straßenverkehr, aber auch in Hafen- und Flughafennähe sind die Lärmbelastungen hoch. Gehörschäden, Herzkrankheiten, Bluthochdruck sind beispielsweise Folgen3, unter denen Menschen in verkehrsreicher Umgebung leiden können.

Je geringer das Einkommen, desto größer die Lärmbelastung

Der Zusammenhang zwischen Einkommen und Lärmbelastung lässt sich eindeutig nachweisen4 und verweist auf eine raumstrukturelle Problematik: Ärmere Menschen sind in urbanen Strukturen gesundheitsschädlichen Einflüssen eher ausgesetzt als Menschen anderer sozioökonomischer Gruppen. Der Lärm trifft zunächst die Betroffenen, die nicht mehr zur Ruhe kommen. Er verursacht aber auch Kosten für die Allgemeinheit: Eine Forschungsarbeit der TU Dresden beziffert die lärmbedingten Kosten für das Gesundheitssystem allein für Berlin auf 130 Millionen Euro4.

Aus Gerechtigkeitsperspektive kommt hinzu, dass die Einkommensschwachen als indirekter Lärmschutzriegel fungieren 2. Dieser Umstand ergibt sich aus den Unterschieden in den Mietpreisen, die an den lauten Hauptverkehrsstraßen niedriger sind als an Nebenstraßen.

Dementsprechend entstehen die stärksten Belastungen an großen Hauptstraßen mit starken Verkehrsbelastungen, wie beispielsweise an der Magistrale „Mundsburger Damm, Oberaltenallee/Hamburger Straße, Barmbeker Straße, Barmbeker Markt, Bramfelder Straße“7.

„Magistrale für alle“: Mehr Menschen sollen an die Hamburger Hauptstraßen ziehen

Für diese Magistrale wurde, ebenfalls am vergangenen Mittwoch, das Konzept der „Magistrale als Stadtraum für alle“ vorgestellt7. Ziel ist es, das Potenzial der Magistralen zur Nachverdichtung zu nutzen, um mehr Wohnraum in der Stadt zu entwickeln. Die Herausforderungen liegen auf der Hand und setzten einen Wandel in der Ausgestaltung von Verkehr im urbanen Raum voraus: Der Verkehr der Zukunft muss so gestaltet sein, dass die Anwohnenden ruhig schlafen können. Das entlastet als allererstes den Alltag einkommensschwacher Menschen – und über sinkende Krankheitskosten schließlich die ganze Gesellschaft.

Die Herausforderung Wohnraum zu schaffen – und die Rolle der Mobilität

Am „Tag gegen den Lärm“ hat die Stadt Hamburg den Plan vorgestellt, mehr Wohnraum an lauten Straßen zu schaffen. Diese terminliche Überschneidung illustriert, wie schwierig eine umweltgerechte Stadtentwicklung ist – und welche große Rolle die Mobilität für eine gerechte und inkludierende Stadtstruktur spielt. Die Zielsetzung der Schaffung von mehr Wohnraum stellt in bereits jetzt dichten Stadträumen eine Herausforderung dar, welche für alle Bevölkerungsgruppen in einem adäquaten Maße gelöst werden muss.

Die Wohnraumentwicklung in zentralen Lagen unterstützt die Mobilitätsoptionen der Bevölkerung – nahe Ziele, kurze Wege. Jedoch darf diese nicht auch Lärmbelastung „erkauft“ werden; sodass letztendendes ausreichende Mobilität und gesundes Wohnen keinen Widerspruch mehr darstellen.