Auf der Suche
Werkstattbericht: Wie wir unsere Interviewpartner*innen fanden
Um Personen zu finden, die uns über ihren Mobilitätsalltag berichten, sind wir über verschiedene Wege vorgegangen. Das Ziel war es, eine möglichst vielfältige Stichprobe aus einkommensarmen Personen zu erstellen, die in einem unserer sechs Erhebungsgebiete wohnten. Wie wir unsere Erhebungsgebiete festgelegt haben, haben wir in diesem Blogbeitrag beschrieben.
Auswahl der teilnehmenden Personen
Insgesamt haben wir vierzig Interviews in Berlin und Hamburg durchgeführt. Das bedeutete, dass in jedem der sechs ausgesuchten Gebiete mindestens fünf bis sechs Personen zu befragen waren, um einen explorativen Einblick in die möglichen Formen mobilitätsbezogener Exklusion zu erhalten und räumliche Muster im Vergleich der Aktionsräume (also der gemachten Wege) der befragten Personen zu ermitteln.
Bei der Auswahl der Personen strebten wir an, ein heterogenes Sample zu generieren. Diese Auswahlstrategie ging von der Überlegung aus, dass es unterschiedliche Typen der Bewältigung von mobilitätsbezogener Exklusion gibt, die z. B. abhängig vom Haushaltstyp, dem zur Verfügung stehenden sozialem Netzwerk oder auch dem Bildungsstand sind1.
Wege des Zugangs
In einer ersten Phase des Feldzugangs machten wir uns mit dem Quartier vertraut: Wir führten Begehungen in allen untersuchten Quartieren durch. Dadurch wollten wir einerseits einen Überblick über die Versorgungsstruktur bekommen und andererseits mögliche Orte der Kontaktaufnahme identifizieren. Bereits in dieser Phase knüpften wir Kontakte zu sozialen Trägern, Nachbarschaftsheimen, Kirchengemeinden und Cafés, in denen sich potenzielle Interviewpartner*innen treffen. Wir führten Gespräche mit den Quartiersmanagements, um einen Überblick über die soziale Infrastruktur des jeweiligen Gebiets zu erhalten. Unser Gesuch nach Teilnehmer*innen wurde von den Quartiersmanagements unterstützt und auf ihren Kanälen beworben – zum Beispiel auf Websites, auf Gremiensitzungen oder in Lokalzeitungen. Bei der Kontaktaufnahme zu den Personen, die den Feldzugang möglicherweise unterstützen konnten, verteilten wir Flyer, die das Anliegen des Forschungsprojekts kurz darstellten und zum Mitmachen aufriefen. Diese richteten sich zunächst an die Fachöffentlichkeit.
Aufrufkarte für Steilshoop
In einer zweiten Phase gestalteten wir eine Aufrufkarte, die eine Teilnahme an der Befragung bewarb. Auf der Karte wurden das Ziel, der Ablauf und die Dauer der Studie beschrieben. Diese Aufrufkarten verteilten wir bei sozialen Trägern, Nachbarschaftsheimen, Kirchengemeinden oder Cafés, mit der Bitte, diese gezielt an mögliche Interviewpartner*innen weiterzureichen und für eine Teilnahme zu werben. Den Erstkontakt mit dem Forschungsteam von MobileInclusion sollte die geworbene Person eigenständig herstellen. Die Karten wurden außerdem großflächig in den Quartieren verteilt (z.B. im Eingangsbereich von Volkshochschulen, in Lernläden, Jobvermittlungen, Sozialberatungen, Nachbarschaftsheimen oder Kieztreffpunkten). Das Auslegen der Aufrufkarten stellte eine passive Strategie des Feldzugangs dar, durch den wir letzendlich nur eine Person gewinnen konnten.
Der Zugang über Sozialarbeiter*innen war wesentlich erfolgreicher. Hier war die Unterstützung sehr groß. Immer wieder suchten wir die Einrichtungen der sozialen Infrastruktur in den Quartieren auf und informierten sie über den Stand des Projekts. Parallel entwickelten wir einen Mobilitätsratgeber für Einkommensarme für die Städte Berlin und Hamburg und übergaben diesen an die Unterstützer*innen in der sozialen Infrastruktur. So konnten wir den überwiegenden Anteil der interviewten Personen über die Ansprache von Personen aus der sozialen Infrastruktur gewinnen. In zwei Fällen konnten uns die Befragtensebst Personen aus ihrem Netzwerk vermitteln.
Material zum Download
Beteiligte Einrichtungen
Wir bedanken uns bei folgenden Trägern, die den Feldzugang sehr unterstützt haben:
KIDS & CO | KIDS & CO ist ein gemeinnütziger Verein zur Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Sitz in Berlin Marzahn-Hellersdorf. |
MITTENDRIN leben e.V. | MITTENDRIN leben e.V. ist ein anerkannter gemeinnütziger Verein, der sich für die psychosoziale Betreuung von Menschen mit verschiedenen Problemlagen in Hellersdorf verantwortlich fühlt. |
Nachbarschaftsheim Neukölln e.V. | Das Nachbarschaftsheim Neukölln e.V. ist ein Träger, der sich im Berliner Stadtteil Neukölln an 13 Standorten für die Bedarfe der Neuköllner*innen einsetzt. |
Nachbarschaftshaus Vielfalt | Das Nachbarschaftshaus Vielfalt ist ein offenes Haus für die Bewohner*innen des Sozialraums Schillerkiez/Nordwest-Neukölln. |
Stadtteilmütter | Stadtteilmütter in Berlin-Neukölln qualifiziert arbeitslose Mütter nicht deutscher Herkunft in einem 6-monatigen Kurs zu relevanten Themen der Erziehung, Bildung und Gesundheit. |
FID Freundeskreis Integrative Dienste gGmbH | Der FID Freundeskreis Integrative Dienste gGmbH in Berlin-Spandau. Der Träger bietet Arbeitsgelegenheiten im Rahmen des Zuverdienstes oder eines Arbeitsprojekts an. |
einfal GmbH | Die einfal GmbH in Hamburg-Wilhelmsburg, die Arbeit suchende Menschen für eine neue Tätigkeit qualifiziert und sie auf dem ersten Arbeitsmarkt vermittelt. |
Arbeitsloseninitiative Wilhelmsburg e.V. | Das Deichhaus der Arbeitsloseninitiative Wilhelmsburg e.V. Die Arbeitsloseninitiative, neben verschiedenen Projekten zur Beschäftigung und Qualifizierung von Arbeitslosen, die Wilhelmsburger Tafel mit Ausgabe von Lebensmitteln im Deichhaus. |
KOM Wilhelmsburg | KOM Wilhelmsburg führt Sprachkurse, in dem die Teilnehmer*innen Deutsch für alle wesentlichen Bereiche des täglichen Lebens und der Arbeitswelt lernen. |
Alraune gGmbH | Alraune gGmbH, der sich als Bildungs-, Ausbildungs- und Beschäftigungsträger für Projekte zur Verknüpfung von Quartiersentwicklung und Bildungs-, Ausbildungs- sowie Arbeitsmarktpolitik einsetzt. |
Ev.-Luth. Maria-Magdalena-Kirchengemeinde | Sozialberatung der Ev.-Luth. Maria-Magdalena-Kirchengemeinde im Osdorfer Born. |
Direkte Ansprache als weitere Strategie
Als weitere Strategie des Feldzugangs wählten wir einen aktiven Zugang an Lebensmitteltafeln, Treffpunkten oder Cafés. Hier sprachen wir mögliche Proband*innen direkt an. Wichtig für die Ansprache war, zu betonen, dass die Angaben und Interviews pseudonymisiert werden. Überhaupt war der Vertrauensaufbau wesentlich, da interviewte Personen eventuell Ängste haben, Informationen zu ihrem Alltag preiszugeben. Es sind vor allem Ängste, durch die Preisgabe von illegalen Strategien verraten und sanktioniert zu werden. Des Weiteren ist es den interviewten Personen häufig unangenehm, über ihre Armut zu sprechen.
Durch die verschiedenen Zugänge und dank der Unterstützung der Einrichtungen vor Ort konnten wir Interviews mit 40 verschiedenen Personen aus unseren ausgewählten Erhebungsgebieten führen und damit diesen Schritt unseres Forschungsplans abschließen. Wie wir die Interviews strukturiert haben, lässt sich hier nachlesen und wer Interesse daran hat, wie unsere Interviews abliefen, findet hier einen Blogbeitrag dazu.
Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachgebiet für integrierte Verkehrsplanung an der TU Berlin. Bearbeiter des Projekts MobileInclusion. Leidenschaftlicher Wanderer.
Arbeitsschwerpunkte: Qualitative Analysen sozialer Ausgrenzung. Entwicklung von Strategien und Maßnahmen.
- Siehe Bibliothek: Daubitz, Stephan (2011): Mobilität und Armut. Die soziale Frage im Verkehr. In: Oliver Schwedes (Hg.): Verkehrspolitik. Eine interdisziplinäre Einführung. Wiesbaden: VS Verl. f. Sozialwiss., S. 181-193. ↵