Informationen erweitern den Möglichkeitsraum

Werkstattbericht 2: Mobilitäts-Ratgeber und Bibliothek stehen jetzt zur Verfügung

Inzwischen hat das Forschungsprojekt MobileInclusion einen wichtigen Meilenstein erreicht. Die Erhebungen mit Menschen, die mit wenig Geld ihre Mobilität bestreiten müssen, haben wir erfolgreich abgeschlossen. 60 qualitative Interviews über den Mobilitätsalltag und über Maßnahmen zur Verbesserung der Mobilität und Teilhabe, liegen nun hinter uns. Die Interviews sind dokumentiert, kodiert und werden fleißig interpretiert. Die Erhebungen und die Aufbereitung der Daten waren sehr zeitintensiv und ließen uns „kaum Luft zum Atmen“. Nun hat sich die Lage für uns ein klein wenig entspannt und wir kommen dazu Informationen bereit zu stellen, die das Wissen über mobilitätsbezogener Exklusion bzw. die Mobilität in Armutslagen erweitern.

Ein Ratgeber für günstige Mobilität in Hamburg und Berlin

So haben wir als Serviceangebot einen Mobilitäts-Ratgeber für die Städte Hamburg und Berlin entwickelt. Darin fassen wir bestehende Mobilitätsangebote zusammen, die das „Mobilitätsleben“ einkommensarmer Menschen erleichtern sollen. Nach der Durchführung der qualitativen Interviews haben wir den interviewten Personen jeweils ein gedrucktes Exemplar übergeben. Das über 20-seitige Heft wurde als sehr hilfreich wahrgenommen, sodass wir uns entschlossen haben den Ratgeber in einer höheren Auflage zu drucken und in Nachbarschaftsheime, sozialen Beratungsstellen, Tafeln etc. zu verteilen. Die Broschüren stehen selbstverständlich auf unserer Website zum Download bereit. Die gedruckte Form kann bei uns bestellt werden.

Titelseite des Mobilitätsratgebers Berlin, Menschen steigen aus einer S-Bahn.

Zum Download für Berlin

Unser Mobilitäts-Ratgeber hilft Ihnen, günstig durch Berlin zu kommen:

  • Bus- und Bahnfahren im Überblick
  • Wo gibt es günstige Tickets?
  • Leihen und Mitfahren
  • Beraten und Reparieren

Jetzt hier herunterladen
(PDF, 0,9 MB)

Titelseite des Mobilitätsratgebers Hamburg, Hamburger Bahn auf einer Brücke vor dem Nikolaikirchturm und dem Rathausturm

Zum Download für Hamburg

Unser Mobilitäts-Ratgeber hilft Ihnen, günstig durch Hamburg zu kommen:

  • Bus- und Bahnfahren im Überblick
  • Wo gibt es günstige Tickets?
  • Leihen und Mitfahren
  • Beraten und Reparieren

Jetzt hier herunterladen
(PDF, 2,1 MB)

Auch in der sozialen Beratung Tätige schätzen die aufbereiteten Informationen. Sie können in persönlichen Beratungsgesprächen Informationen zur kostengünstigen Mobilität weitergeben. In der heterogenen Gruppe der Einkommensarmen gibt es Personen, die beständig auf der Suche sind nach Informationen. So schilderte eine alleinerziehende Frau im Interview: „Also ich weiß nicht, wenn da so Flyer liegen, die nehme ich mir grundsätzlich erst mal mit, lese sie zu Hause durch und schmeiß‘ dann sowieso dann 80 Prozent leider dann wieder weg, oder gebe sie halt teilweise schon weiter. Manchmal, wenn ich von solchen Sachen erfahre, dann gebe ich das auch an Freunde oder an Bekannte weiter“ (ZI:14:76 2011). Die hohe Quote an weggeworfenen Flyern weist stellvertretend auf einen Mangel hin: Mehr an unterschiedliche Zielgruppen angepasste Produkte können die Mobilität einkommensarmer Menschen unterstützen. Ein Ziel des Forschungsprojekts MobileInclusion wird es sein, entsprechende Empfehlungen mit der Expertise von Expert_innen der sozialen Infrastruktur zu entwickeln.

Die Bereitstellung von Wissen kann also ein Angebot sein, die eigene Mobilität zu verbessern. Ein Problem ist sicherlich die „Halbwertszeit“ der Informationen. Fahrradwerkstätten beispielsweise, die kostenlose Reparaturen anbieten, sind oft nicht auf Dauer „durchfinanziert“. Beim Auslaufen der Förderung müssen gut genutzte Angebote ihre Arbeit einstellen. Zwangsläufig müssen wir beständig neue Angebote recherchieren. Bis zum Ende unseres Forschungsprojekts im Dezember 2020 wollen wir versuchen unseren Mobilitätratgeber auf einen aktuellen Stand zu halten. Hier sind wir für Hinweise zur Weiterentwicklung des Informationsangebotes sehr dankbar.

Für die Fachszene: Bibliothek über soziale Exklusion

Darüber hinaus bieten wir auf unserer Website eine Bibliothek „Mobilität und soziale Exklusion“ an. Das Angebot richtet sich an Studierende, Wissenschaftler_innen und politische Entscheidungsträger_innen. Für sie haben wir eine Auswahl getroffen, die eine gute Basis darstellt, um sich mit dem Thema vertraut zu machen. Wir haben 110 Quellen zusammengefasst und kommentiert sowie Schlagworte zugeordnet. Für die systematische Aufbereitung des wissenschaftlichen Diskurses waren für uns die Schlüsselbegriffe Mobilität, Exklusion, Gerechtigkeit, Teilhabe und Ungleichheit zentral. Die Bibliothek referiert Publikationen, die Gerechtigkeitskonzeptionen im Zusammenhang mit Verkehrs- Raum- und Stadtplanung und mobilitätsbezogener Exklusion thematisieren, sowie Konzepte und Formen der Teilhabe vorstellen.

Der philosophische politische Diskurs scheint zuerst einmal für die Planungswissenschaften abstrakt zu sein, dennoch wurden Fragen zur Gerechtigkeit immer wieder debattiert, zum Beispiel bezogen auf Mobilitätskosten: Ärmere Menschen geben zwar absolut weniger Geld für ihre Mobilität aus, der Anteil am Nettoeinkommen ist jedoch höher. Dies zwingt gerade einkommensarme Haushalte, Mobilitätskosten gegenüber anderen Ausgaben abzuwägen. Des Weiteren stellt der Abbau der sozialräumlichen Konzentration gesundheitsrelevanter Verkehrsbelastungen eine Aufgabe dar, um planerisch gerechte Verhältnisse zu schaffen: Verschiedene Studien zeigen, dass sozial benachteiligte Personen auch in Deutschland stärker unter verkehrsbedingter Luftverschmutzung sowie Lärmbelastung leiden1234.

Neben vertragstheoretischen Konzeptionen (Rawls5), dem Capabilty Approach (Sen6 , Nussbaum7) ist daher auch die Konzeption der Umweltgerechtigkeit bezogen auf das Thema Mobilität in unserer Bibliothek mit entsprechenden grundlegenden Quellen aufzufinden. Die Bibliothek liefert Informationen, mit welchen Methoden (Qualitative bzw. Quantitative Methoden, Räumliche Analysen) mobilitätsbezogene Exklusion bisher erfasst wurde.

Die meisten Einträge sind mit einem Klick bei Google Scholar auffindbar und sogar als Volltext hinterlegt. Wir hoffen, dass die Bibliothek „Mobilität und soziale Exklusion“ gut angenommen wird. Feedback und Hinweise zur Weiterentwicklung dieser Datenbank sind ausdrücklich erwünscht.

  1. Umweltbundesamt: Umwelt & Gesundheit 02/2009: Umwelt, Gesundheit und soziale Lage – Studien zur sozialen Ungleichheit gesundheitsrelevanter Umweltbelastungen in Deutschland. https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/publikation/long/3801.pdf.
  2. Laussmann, D.; Haftenberger, M.; Lampert, T.; Scheidt-Nave, C. (2013): Soziale Ungleichheit von Lärmbelästigung und Straßenverkehrsbelastung. Ergebnisse der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1). In: Bundesgesundheitsblatt, Gesundheitsforschung, Gesundheitsschutz 56 (5-6), S. 822–831. DOI: 10.1007/s00103-013-1668-7.
  3. https://www.berlin.de/sen/uvk/presse/pressemitteilungen/2019/pressemitteilung.788631.php
  4. https://www.umweltbundesamt.de/presse/pressemitteilungen/weniger-einkommen-mehr-laerm-abgase-sozial
  5. Siehe Bibliothek: Stein, S. M., & Harper, T. L. (2005). Rawls’s ‘justice as fairness’: A moral basis for contemporary planning theory. Planning Theory, 4(2), 147-172.
  6. Siehe Bibliothek: Sen, A. (2010). Die Idee der Gerechtigkeit. CH Beck.
  7. Siehe Bibliothek: Nussbaum, M. C. (2010): Die Grenzen der Gerechtigkeit. Behinderung, Nationalität und Spezieszugehörigkeit, Berlin. Online verfügbar unter https://rds-ui.ub.uni-freiburg.de/ link?id=324024002.